Startseite > Verbände > Artikel Nr. 31 (Januar 2008)
Deutscher Naturschutzring: Business and Biodiversity
Naturschutz nach Wirtschaftsinteressen?
Kommentar von Manfred Knake
Der Deutsche Naturschutzring (DNR) macht sich Sorgen um die Artenvielfalt und die Unternehmer:
Im "Sonderheft III/2007" des DNR wird über "Die Zukunft der Europäischen Union ´Business and Biodiversity´, Artenschutz durch Wirtschaftsunternehmen zwischen Grünfärberei und Glaubwürdigkeit" sinniert (siehe ""Business and Biodiversity" - Artenschutz durch Wirtschaftsunternehmen zwischen Grünfärberei und Glaubwürdigkeit", pdf-Datei, ca. 340 KB)
Immerhin, es hat sich herumgesprochen, dass die EU-Kommission festgestellt hat, auch mit den rechtsgültigen Natura-2000-Richtlinien für die Mitgliedstaaten und 30.000 gemeldeten Schutzgebieten sei es nicht gelungen, den Artenverlust zu reduzieren. Nun müssen "die Unternehmen" mit ran, um das Blatt noch zu wenden. Wie bitte? Woran liegt es denn, dass die Natura-2000-Richtlinien bis heute weitgehend bedrucktes Papier geblieben sind?
Erst sehr spät, die Vogelschutzrichtlinie z. B. gilt seit 1979, ist vielen Mitgliedstaaten, darunter auch Deutschland, aufgefallen, dass es solche Richtlinien überhaupt gibt. Jahrzehntelang wurden trotz der Schutzvorschriften beispielsweise vehement in "Important Bird Areas" oder "faktischen Vogelschutzgebieten" Fakten geschaffen; von der Umgehungsstraße bis zu riesigen Wind"parks" reicht die zerstörerische Palette.
In vielen Bundesländern spielten u.a. Umweltministerien eine aktive Rolle bei der Boykottierung der Natura-2000-Auflagen zugunsten der Wirtschaft, herausragendes Negativbeispiel ist das Land Niedersachsen, dessen Ministerpräsident Wulff gerade von 75 Prozent der Wahlberechtigten NICHT gewählt wurde, der sich aber dennoch Wahlsieger nennen darf, und weitermacht. Dessen Regierung aus CDU und FDP hat in den vergangenen Jahren die oberen Naturschutzverwaltung mit den Bezirksregierungen aufgelöst und das renommierte "Niedersächsische Landesamt für Ökologie" zerschlagen und in eine Küstenschutzbehörde integriert, ganz im Sinne der Wirtschaft, weil fachlicher Naturschutz trotz geltender Gesetze als störender Hemmschuh dieser neo-liberalen Politik angesehen wird. Den Naturschutzverbänden, 14 im Lande Niedersachsen, wurde die Verbändeförderung entzogen.
Nun soll also "die Wirtschaft" zu "mehr Engagement für die Biodiversität" motiviert werden, mit Hilfe der NGOs, also den großen Umweltverbänden wie NABU, BUND oder der Stiftung WWF. Genau die aber hängen selber am Spendentropf der Wirtschaft und unterstützen das im DNR-Papier beklagte "greenwashing" großer Firmen. Bestes Beispiel ist die Deutsche Umwelthilfe: vom BUND gegründet, der NABU und andere kamen später dazu. Der eigentlicher Zweck ist, Spendengelder von Großfirmen einzuwerben, anzuhäufen und an die beiden Verbände, die sich die Geldannahme von Konzernen wegen des zu befürchtenden Imageverfalls nicht leisten können, entweder weiterzuleiten oder aber damit deren Projekte finanzieren. Oder anders gesagt, diese "NGO-Spendenwaschanlage" soll jetzt Einfluss auf ihre eigenen Spender nehmen?
Die großen Naturschutzverbände haben sich längst von ihrer eigentlichen Aufgabe als Anwälte der Natur entfernt, dazu gibt es einen treffenden Satz auf der Seite der "Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen":
Die Mitgliederzahlen der Naturschutzorganisationen, die ihnen zur Verfügung stehenden materiellen Mittel, ihre personelle Ausstattung und mediale Präsenz haben sich in den letzten 30 Jahren vervielfacht. Hinzugekommen sind Mitwirkungs- und Klagerechte und wohl auch Kompetenz. Zeitgleich etablierte sich von der nationalen bis zur lokalen Ebene eine zwar von der Politik kontrollierte und vielfach blockierte, aber an sich professionelle Naturschutzverwaltung. [...]
Zu sehr sind die Naturschutzorganisationen mit dem Wunsch nach Beliebtheit in die Beliebigkeit abgeglitten, vom Zeitgeist vereinnahmt, in jeder Hinsicht verflacht, immer weniger konfliktbereit und noch weniger konfliktfähig,[...]
Naturschutz im Lande ist nach wie vor eine staatliche Aufgabe, gestützt auf Verordnungen,Gesetze oder internationale Konventionen, nicht aber eine Verhandlungsmasse zwischen Naturschutzverbänden und Wirtschaftsunternehmen "nach Kassenlage". Ein Gesundschrumpfen der Fülle von nebeneinander agierenden "anerkannten" Verbänden mit der Konzentration auf das "Kerngeschäft", nämlich den Naturschutz und nicht auf zeitgeistiges Beiwerk, würde der Artenvielfalt mehr helfen als zweifelhafte Allianzen mit Naturschutzverhinderern in Nadelstreifen. Dazu bedarf auch der Konzentration der Geschäftsstellen zur Koordination der Arbeit und des stärkeren Gebrauchs von Rechtsmitteln mit eigenen Fachjuristen.
Dagegen steht wohl der Drang zum Selbsterhalt sicherer Posten und Pöstchen in den zahlreichen hauptamtlich arbeitenden Verbänden, wie unnütz die auch für den Erhalt der Artenvielfalt sein mögen. Gäbe es den Deutschen Naturschutzring nicht mehr, würde ihn wohl kaum jemand vermissen, die bedrohten Arten wohl zuletzt.