1994 vereinbarten die Naturschutzverbände NABU und BUND und die
Stiftung WWF einen gewaltigen finanziellen Deal (siehe Textauszug aus
einer WWF-Veröffentlichung). Was ist daraus geworden? Thomas Schumacher
fragte in der taz nach.
Textauszug aus: Wasser zwischen Land und Meer -Flussmündungen unter
Druck- WWF-Tagungsbericht Nr. 10 Bremen 1995
S. 252: "Den Fischern war es mit Unterstützung der Verbände
(oder den Verbänden mit Unterstützung der Fischer) gelungen,
das Planfeststellungsverfahren erheblich zu verzögern. Unter dem
Druck des für Februar 95 festgesetzten Überführungstermins
des Maxi-Schiffes ORIANA haben die Umweltverbände BUND und NABU und
die Umweltstiftung WWF-Deutschland im Juli 1994 mit der Niedersächsischen
Landesregierung eine (bisher vorbildlose) Vereinbarung geschlossen. Sie
tolerieren die aktuelle Emsvertiefung, kündigten aber die Ausschöpfung
aller Rechtsmittel gegen weitere Vertiefungen an. Dieses Stillhalten honoriert
die das Land mit der Zusage, von 1995 bis 1998 'geeignete Maßnahmen'
zur Verbesserung der ökologischen Situation an der Ems in einem Kostenumfang
von 7,5 Millionen DM durchzuführen und sich außerdem beim Niedersächsischen
Landtag 'nachdrücklich' für eine sogenannte Ems-Dollart-Zustiftung
in Höhe von 10 Millionen DM in 10 Jahresschritten von je einer Millionen
DM an die Niedersächsisches Umweltstiftung einzusetzen. Die Mittel
sollen zweckgebunden sein für ein Langfristprogramm zur Verbesserung
der ökologischen Situation im Ems-Dollart-Raum."
Fragen des Wattenrates:
Was ist aus den Zusagen und den Mitteln geworden?
Wer verwaltet sie ggf.?
Was haben die Naturschutzverbände seitdem getan, damit die vereinbarten
Summen auch wirklich zweckgebunden fließen?
Ökologen verbaseln Millionen
taz Bremen,vom 8.11.2002
WWF, BUND und NABU rufen Gelder zur Renaturierung der Ems nicht von der
niedersächsischen Landesregierung ab. Beim Ausbau der Ems 1994 haben
sie sich von der Landesregierung über den Tisch ziehen lassen Um
die Erde zu retten, sammeln Naturschutzverbände Spenden. Das ist
bekannt. Neu ist, dass die Bremer und niedersächsischen Landesverbände
von WWF, BUND und NABU mehrere Millionen Euro für die Renaturierung
der Ems nicht einfordern können. "Wir haben mit der niedersächsischen
Landesregierung Verträge abgeschlossen, mit denen wir leider keine
einklagbaren Rechtstitel erworben haben", umschreibt Robert Exner,
Sprecher des BUND in Hannover, die Tatsache, dass sich die Verbände
von der Landesregierung über den Tisch ziehen lassen haben.
1994 ließen sich WWF, BUND und NABU von Niedersachsen das Recht
abkaufen, gegen die damalige Vertiefung der Ems zu klagen. Die Ems musste
vertieft werden, damit die Papenburger Meyer-Werft ihre Schiffe aus dem
Binnenland 48 Kilometer durch die Ems an die Küste überführen
kann. Damals stand die Überführung des Lußxusliners "Oriana"
an. Eine Klage der Umweltverbände gegen die Vertiefung hätte
die Auslieferung an die P&O Reederei verzögert. In Verhandlungen
mit der Landesregierung verzichteten die Verbände zum Ärger
ihrer Mitglieder auf diese Klage. Im Gegenzug verpflichtete sich die Landesregierung
zur Zahlung von 7,5 Millionen Mark für Renaturierungsmaßnahmen
an der Ems, und zur Einrichtunßg einer Zusatzstiftung von 10 Millionen
Mark bei der Niedersächsischen Umweltstiftung zum gleichen Zweck.
Ab 1994 wollte die Landesregierung jährlich eine Million Mark einzahlen.
Die 7,5 Millionen Mark der ersten Tranche sind nach Angaben des verantwortlichen
Wirtschaftsministeriums bis auf 1,9 Millionen Mark ausgegeben. Die Bezirksregierung
hat davon Flächen an der Ems aufgekauft und Flachwasserzonen für
Fischlaichplätze eingerichtet. In die Stiftung ist bislang kein Cent
geflossen. Frühestens zum Haushalt 2004/2005 könnte die Landesregierung
in ihren Haushalt das erforderliche Geld einstellen. Aber nach zehn Jahren
verfällt die Verpflichtung des Landes, die Stiftung überhaupt
zu gründen. Das zuständige Wirtschaftsministerium wollte sich
dazu nicht äußern.
Den Vorwurf, die Gelder verschlampt zu haben, weisen Beatrice Claus vom
WWF und Vera Konermann vom BUND unisono zurück. Pikant ist: Die Verbände
hatten sich wegen der Vereinbarung mit der Landesregierung sogar den Vorwurf
der Bestechlichkeit gefallen lassen müssen. "Wir müssen
bei den Renaturierungsmaßnahmen der Ems ein Einverständnis
mit den Behörden herstellen. Das war nicht möglich", erklärt
Konermann. Tatsächlich hat im Auftrag des BUND 1997 ein Planungsbüro
in Hannover ein Leitbild für die Renaturierung der Ems entwickelt
und konkrete Baumaßnahmen vorgeschlagen. Darunter waren auch Vorhaben
wie der Rückbau von Deichen, um das Deichvorland zu erweitern, sowie
der Durchstoß von Sommerdeichen, um Überflutungen und Flachwasserregionen
an der Ems zu ermöglichen. "Nachdem wir diese Leitlinien entwickelt
hatten, begannen schon die Vorbereitungen für die Planung des Emssperrwerkes
(Eröffnung November 2002, Anmerkung d. Red.). Damit waren unsere
Vorschläge für die Landesregierung nicht mehr akzeptabel",
so Konermann.
Zurzeit herrscht hektische Betriebsamkeit im Wirtschaftsministerium und
bei den Umweltverbänden. Auf den letzten Drücker sollen kompromissfähige
und förderungswürdige Umweltprojekte an der Ems her. Das Problem:
Experten sind der Meinung, dass es diese Projekte nicht mehr gibt.
Thomas Schumacher
Nachtrag des Wattenrates: Nicht nur das Einverständnis der Behörden
war nicht einzuholen, auch die Verbände unter sich waren sich nicht
einig. Das verschweigt des Chronisten Höflichkeit.
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