Startseite > Aktuelles > Artikel Nr. 80 (11.09.2004)
Schwermetallhaltige Schlacke zur Deichsicherung verbaut
Leybucht: Tausende von Tonnen schwermetallhaltige Eisenschlacke zur Deichsicherung verbaut
Wir zitieren aus der Ostfriesen Zeitung:
Ostfriesen-Zeitung 11.09.2004 (S. 14)
Rätsel um giftige Schlackesteine
DEICHBAU -- Belastetes Material aus Metallverarbeitung wird im Küstenschutz benutzt
Vor vier Jahren hat man entschieden, die Rückstände aus der Eisenherstellung nicht mehr zu verwenden. Weil die Steine billig und schwer sind, dürfen sie jetzt wieder benutzt werden.
VON HEINER SCHRÖDER
OSTFRIESLAND - Eine Idylle. Tausende von Seevögeln bevölkern das Deichvorland, Menschen genießen am Deich beim Campener Leuchtturm Natur pur. Aber die Idylle fußt auf Tausenden von Tonnen Schlacke aus der Eisenherstellung. Mitte der 60er Jahre wurde die Schlacke aus Küstenschutzgründen ins Deichvorland gekippt. Noch heute werden Schlackesteine gerne im Deich- und Wasserbau verwendet. Aber das Zeug ist giftig. Noch weiß keiner, wie giftig es ist.
Schlackesteine sind mit Schwermetallen belastet. Küstenschützer und Wasserbauer haben das Material trotzdem jahrelang gerne benutzt, weil es widerstandsfähig, schwer und vor allem preiswert ist.
Mitte der 60er Jahre hat man sogar Tausende von Tonnen dieses Abfallprodukts der Stahlindustrie vor das Watt bei Campen geworfen. Aus Sicht der Küstenschützer logisch: So sollte das Deichvorland erhöht werden. Das ist bei Campen tatsächlich geschehen. Mittlerweile steckt die Schlacke unter einer dicken Schlickschicht. Darauf hat sich das Vogelparadies entwickelt.
Als es erste Hinweise darauf gab, dass das Zeug nicht ganz unbedenklich ist, gab man die Pläne auf, die gesamte Küste vollzuschütten. Am Einbau von aus Schlacke hergestellten Steinen hielten die Küstenschützer aber fest.
Die Forschungsstelle Küste hat im Auftrage des Landes ermittelt, dass Schlackesteine an mindestens 117 Stellen der niedersächsischen Küste in Deiche und Wasserbauwerke eingebaut worden sind. Wegen ihres Gewichts werden sie gerne als Grundsicherung benutzt, sind also meistens nicht zu sehen.
Die Steine kamen auch beim großen Leybucht-Projekt zum Einsatz. Proben ließen aber den Verdacht zu, dass sich Schwermetalle aus den Steinen lösen und in Boden und Wasser gelangen. Gegenproben konnten diesen Verdacht nicht erhärten. Aber die Küstenschutzbehörden gaben die Order, die Steine nicht mehr zu verwenden.
Das ging so lange, bis die Schlackesteine plötzlich spottbillig auf den Markt kamen. Sie kosten heute noch 10 bis 15 Euro pro Tonne weniger als vergleichbares Material. Das Verbot wurde gelockert. Man sparte allein an der Leybucht mehrere Millionen Euro. Auch bei der laufenden Erneuerung des Deckwerks des Emder Seedeichs werden die Steine benutzt: Ersparnis: rund 100.000 Euro pro Kilometer.
Ob das umstrittene Baumaterial giftig ist oder nicht, weiß immer noch keiner. Das niedersächsische Umweltministerium hat die Empfehlung herausgegeben, die Steine nur noch dort zu verwenden, wo es anders nicht geht. Gleichzeitig soll mit den übrigen Küstenländern über die Finanzierung eines Gutachtens gesprochen werden, das möglichst noch in diesem Jahr in Auftrag gegeben werden soll. Damit man wenigstens hinterher weiß, ob das, was jetzt in die Deiche gebaut wird, giftig war.