Die Misere des Naturschutzes in Niedersachen und gerade im (noch existierenden)
Regierungsbezirk Weser-Ems beleuchtet Thomas Schumacher von
der taz
In den Artikeln "Naturschutz ist schon lange nicht mehr" und "Naturschutz
versinkt im Chaos" wird deutlich, wie in dieser Region behördlich
gearbeitet wird. Aus eigener Erfahrung sei gesagt, dass die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter der Unteren Naturschutzbehörden ihre Aufgaben überwiegend
gut wahrnehmen. Nur sind sie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Einheitsbehörden,
die dann die Arbeit der UNBs nach außen in verfehlten Entscheidungen
völlig zunichte machen können. Die politischen Parteien spielen
dabei oft eine Rolle, die ihnen eigentlich bei der vorgesehenen Gewaltentrennung
nicht zukommt. Auch ein Vertreter des Wattenrates kommt zu Wort.
taz Nord Nr. 7166 vom 25.9.2003 ( Seite 24)
TAZ-Bericht
Thomas Schumacher
Naturschutz ist schon lange nicht mehr
Bezirksregierung Weser-Ems urteilt: Die 18 Landkreise und Städte
kommen ihren Naturschutz-Pflichten nicht nach
Oldenburg taz Die achtzehn Landkreise und kreisfreien Städte in
der Region Weser-Ems kommen ihren gesetzlichen Pflichten für eine
aktive Naturschutzarbeit nicht nach. Dieses Fazit zieht der Leiter der
Oberen Naturschutzbehörde der Bezirksregierung Weser-Ems in Oldenburg,
Helmut Dieckschäfer, in einem jetzt bekannt gewordenen Papier. Darin
dokumentiert seine Behörde die Naturschutzarbeit der letzten zehn
Jahre in der Region.
Anlass der Bestandsaufnahme Dieckschäfers ist die von der niedersächsischen
Landesregierung angekündigte Verwaltungsreform. Danach sollen unter
anderem die Bezirksregierungen abgeschafft und deren Aufgaben an andere
Institutionen übertragen oder den Landkreisen und Städte zugeschlagen
werden. "Die Politik will den aktiven Naturschutz zerschlagen",
urteilt Dieckschäfer. Mit ihrem Papier weist die Bezirksregierung
jetzt nämlich nach, dass die Landkreise und Städte gar nicht
in der Lage sind, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen. Mehr
noch: Sie belegt, dass diese im Bereich des Naturschutzes nicht einmal
ihre jetzigen Aufgaben erledigen. Grund, so die Oldenburger Analyse,
sei die schlechte personelle Ausstattung der Unteren Naturschutzbehörden
und politisches Desinteresse der Verantwortlichen.
So haben einige Landkreise nach zehn Jahren noch immer keine Landschaftsrahmenpläne
ausgearbeitet. Diese Pläne aber sind Grundlage jeglicher Naturschutzverwaltung.
Ohne den Landschaftsrahmenplan können keine Schutzgebiete ausgewiesen
werden - und werden es auch nur unzureichend. Die EU droht deswegen schon
mit hohen Geldstrafen.
Auf dem Schreibtisch von Uilke van der Meer in Norden/Ostfriesland stapeln
sich Landkarten und Flächenbeschreibungen. "Die gehen jetzt
nach Brüssel", sagt der Sprecher der unabhängigen Naturschutzgruppen,
die sich zum so genannten Wattenrat zusammengeschlossen haben: "Der
Landkreis Aurich, die Stadt Emden und der Landkreis Leer würden
sich die Finger danach lecken." Die vom Wattenrat erstellten Karten
belegen, das Windparks, Golfplätze oder Strassen entlang der Küste
oder auf den Inseln direkt in hochwertigen Naturgebieten gebaut wurden,
die nach europäischem Recht als Naturschutzflächen (FFH-Gebiete)
hätten ausgewiesen werden müssen.
Das Papier der Bezirksregierung wiederum belegt nun, warum das so ist.
Viele Landkreise haben schlicht keine aktuellen Daten darüber, wie ökologisch
wertvoll ihrer Gemarkungen sind. "Die haben daran auch kein großes
Interesse, weil sie ihre Flächen dann wirtschaftlich nicht mehr
so nutzen könnten", vermutet Uilke van der Meer. Er ist sicher: "Nichts
scheuen die kommunalen Verwaltungen mehr als die Ausweisung von Naturschutzflächen."
Thomas Schumacher
taz Nord Nr. 7168 vom 27.9.2003 (Seite 32)
TAZ-Bericht Thomas Schumacher
Naturschutz versinkt im Chaos
Die geplanten Änderungen im Naturschutz Niedersachsens sorgen bei
den Behörden in der Weser-Ems-Region für Wut und sogar Ungehorsam
Oldenburg
taz Der niedersächsische Umweltminister Hans-Heinrich
Sander (FDP) hatte den kurzen Dienstweg gewählt: In einem schnöden
Erlass hatte er verfügt, dass Naturschutzbehörden oder deren
Beauftragte nicht mehr ohne Vorankündigung Kartierungen und Bewertungen
von Naturflächen durchführen dürfen. Dabei hat Sander
seine Rechnung offenbar ohne die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände
Niedersachsens gemacht - die forderte nämlich jetzt ihre Mitglieder
auf, dem Minister den Gehorsam zu verweigern.
In einem Schreiben an Sander begründet die AG ihren Beschluss unter
anderem mit der Unrechtmäßigkeit des Erlasses. Weiter heißt
es in dem Brief, oft seien Gebiete betroffen, bei denen "mehrere
hundert Eigentümer" zu ermitteln seien, um sich bei denen anzumelden. "Die
Ermittlung und Benachrichtigung jedes einzelnen Eigentümers durch
die unteren Naturschutzbehörden ist mit dem vorhandenen Personal
nicht möglich. Unabhängig davon wäre auch noch die Frage
zu beantworten, wer die Kosten solcher Aktionen tragen würde",
schreibt die Arbeitsgemeinschaft an den Umweltminister in Hannover.
Auf die Kritik der Oberen Naturschutzbehörde der Bezirksregierung
Weser-Ems, die 18 Landkreise und kreisfreien Städte der Region kämen
ihren Aufgaben im aktiven Naturschutz nicht nach (taz berichtete am Mittwoch),
reagierten einige Landkreise unterdessen mit Unverständnis und Wut. "Mir
liegt das Papier der Bezirksregierung nicht vor, aber der Vorwurf ist
völlig unhaltbar und unverschämt", wettert Wolf Ingo Schöne,
Leiter der Abteilung Planung und Naturschutz im Landkreis Aurich. "Wir
haben gerade jetzt das Problem, dass wir zwei Schutzgebiete ausweisen
wollen und die Bezirksregierung uns massiv blockiert. Immer wenn wir
darauf hinweisen, dass unsere Ausstattung an Personal und Finanzmittel
nicht ausreicht, um unsere Aufgaben zu erfüllen, stoßen wir
beim Ministerium auf taube Ohren", so Schöne.
Die Bezirksregierung versucht mit ihrer Kritik nachzuweisen, dass die
Landkreise - nach der geplanten Auflösung von Behörden im Zuge
der Verwaltungsreform der neuen CDU-FDP-Landesregierung - keine weiteren
Funktionen im Bereich des Naturschutzes zugewiesen bekommen können.
Schon jetzt, so die Kritik, könnten die Kreise ihre Naturschutzaufgaben
nicht mehr erledigen.
"Wir weisen eine solche Kritik klar zurück - Leer betreibt
hervorragende Naturschutzarbeit", wehrt sich Dieter Bakker, Sprecher
des Landkreises Leer. Man halte das Papier der Bezirksregierung "für
den Alleingang einer Dienststelle" und für ein "unangemessenes
Mittel, die Bedeutung dieser Mittelbehörde zu unterstreichen",
so Bakker.
Thomas Schumacher
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