Esens-Bensersiel, oder das Märchen vom Fischer und seiner Frau
von Manfred Knake
Alle Jahre wieder wird an der Wattenküste um den Touristen gebuhlt:
u.a. mit Hochglanzprospekten und dem Verkauf der heilen Welt am Urlaubsort.
So auch in Esens-Bensersiel im Landkreis Wittmund. Esens wirbt mit dem
Slogan "Stadt am Meer", was zweifellos nicht stimmt und die
geographische Lage in Umsatz steigender Absicht etwas nach Norden
verrückt:
Esens liegt nicht am Meer, sondern vier Kilometer davon entfernt.
Dafür
ist Bensersiel mit seinem künstlich aufgespülten Sandstrand
auf einer ehemaligen Salzwiese und den im Umfeld liegenden Spaßeinrichtungen
der Touristenmagnet, und das muss vermarktet werden. Das "Stadt-
und Gästemagazin, Esens-Bensersiel erleben" (Ausgabe
2/Sommer 2003) stellt auf 50 Seiten dar, "wo immer was los
ist". Von "Krabben
vom Kutter frisch auf den Tisch", "Sandstrand ist das Kapital",
über "Mein erstes Kaninchen zahlte ich in Raten" bis "Takka-Tuka-Land
wird Hit im Strandportal" erfährt der bisher offenbar ahnungslose
Tourist, in welchem Küsten-Disneyland er oder sie das Geld lassen
soll.
Das Land "vor dem Deich" kommt zwar vor, "in einzigartiger
Kulisse, direkt am Meer lässt es sich ideal campen", auf einer
ehemaligen und nun befestigten Salzwiese, in unmittelbarer Nachbarschaft
von Jungen führenden Brandenten oder Austernfischern, die zu den
kleinen verletzlichen Unbekannten des Urlaubsortes gehören.
Auch gibt es einen Hinweis auf eine gelungene Vogelausstellung mit Stopfpräparaten
"vom kleinen Wasservogel bis zu mächtigen Schwan" und das
sehenswerte Naturkundehaus, das von einem "Biologen", der in
Wahrheit die ehrenwerten Berufe Drogist und Präparator gelernt hat,
geleitet wird.
Aber war da nicht noch irgendwo ein Nationalpark? Nationalpark Niedersächsisches
Wattenmeer "zum Schutz der Tier und Pflanzenwelt"? Dessen Vorstellung
sucht man in dem üppig bebilderten Prospekt vergebens, der wird (fast)
ausgeblendet. Der Begriff taucht nur als lästiges Element auf: "Strandaufspülungen
bräuchten wir eigentlich alle fünf Jahre, da uns der Sand allmählich
immer abhanden kommt. Aber der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer
ermöglicht uns das nicht so gerne", wird der Kurdirektor Taddigs
zitiert. Das wars´s dann auch.
Fast eine Millionen registrierte Übernachtungen verzeichnet allein
Esens-Bensersiel jährlich, nicht mitgerechnet die Häuser, die
bis acht Betten anbieten, die werden von der Statistik nicht erfasst.
Nicht allein der künstliche Strand, sondern das Wattenmeer sind das
Kapital der Tourismusmacher, die auch 17 Jahre nach Einrichtung des Nationalparks
nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass es hier Regeln gibt, dass Tiere
und Pflanzen vorrang vor Lenkdrachen, Mountainbikes, Surfern, Speedbooten
und Spaziergängern, mit oder ohne Hund, haben.
Das Bewusstsein für die einzigartige Naturlandschaft ist eindeutig
nicht vorhanden, im Gegenteil: Esens-Bensersiel will mehr. Dazu gehört
ein Golfplatz und eine Umgehungsstraße mit der Möglichkeit
von noch mehr Baulandausweisungen in einem faktischen EU-Vogelschutzgebiet,
dazu ein FKK-Strand in einem bisher ungenutzten Areal des Nationalparks,
der bereits ausgewiesenes EU-Vogelschutzgebiet ist.
Das Ganze mutet an wie das Märchen vom Fischer und seiner Frau,
der irgendwann mit dem Pinkelpott anfing und nach gewaltigen Höhenflügen,
weil seine Frau den Hals nicht voll genug bekommen konnte, genau dahin
zurückkehrte....
Der Prospekt ist erschienen im Verlag Brune-Mettcker, Druck- und Verlagsgesellschaft
Am Markt 18 26409 Wittmund
Redaktion des Prospektes (verantwortlich): Detlef Kiese
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