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Erneutes Mahnschreiben der EU-Kommission an die  
Bundesregierung  

In Weser-Ems Wybelsumer Polder, der Raum Norden-Esens und der Voslaper Groden bei Wilhelmshaven betroffen

Erneut hat die EU-Kommission Deutschland aufgefordert, seiner vertraglichen Pflicht zur Ausweisung von ausreichenden Schutzgebieten nach der Europäischen Vogelschutzrichtlinie nachzukommen. Nachfolgend ein Auszug aus dem Mahnschreiben vom April 2003. Betroffen ist auch Niedersachsen mit dem Bezirk Weser-Ems: bemängelt wird die unzureichende Ausweisung des Wybelsumer Polders, der Raum Norden-Esens und der Voslaper Groden bei Wilhelmshaven.Im Wybelsumer Polder wurde bereits ein riesiger Wind"park" errichtet, im Raum Esens Norden haben Planungen zu Golfplätzen und Umgehungsstraßen konkrete Formen angenommen und im Voslaper Groden soll der Jade-Weser-Port entstehen.... Der gesamten ostfriesischen Presse wurde das Mahnschreiben mehrfach angeboten,lediglich die Ostfriesen-Zeitung Griff das Thema auf. Ist das Thema für Redaktionen, die sonst die Schützenvereine, Kaninchenzüchter, Landwirte und Lokalpolitiker pflegen, zu kompliziert oder will man Ruhe an der Front?

(Das komplette Mahnschreiben mit 110 Seiten kann als txt-Datei angefordert werden)
Dazu hier klicken: mail@watten-rat.de

#edit (06.10.2003): Zudem besteht jetzt die Möglichkeit, dieses Schreiben als pdf-Datei online zu betrachten[1] oder downzuloaden [2]
1) Mahnschreiben der EU- Kommission online als pdf
2) Mahnschreiben der EU- Kommission zum Download

Auszug aus dem Mahnschreiben der EU- Kommission, Vertragsvereltzungsverfahren 2001/5117 gegen Deutschland an den Bundesaußenminister Fischer:

KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN Brüssel

Sehr geehrter Herr Bundesminister,

ich nehme Bezug auf das Aufforderungsschreiben vom 21 December 2001 (SG(2001)D/260551) und möchte Sie erneut darauf hinweisen, dass Artikel 4 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (im folgenden: Vogelschutzrichtlinie) in Deutschland noch nicht hinreichend umgesetzt wurde.

I. Sachverhalt Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die korrekte und vollständige Durchführung von Artikel 4 der Vogelschutzrichtlinie. Die Richtlinie wurde am 2. April 1979 vom Rat angenommen und Ihrer Regierung am 6. April 1979 bekannt gegeben. Die Kommission erkennt an, dass die Bundesrepublik Deutschland in der Vergangenheit erhebliche Fortschritte bei der Umsetzung von Artikel 4 der Vogelschutzrichtlinie gemacht hat. Zugleich ist jedoch festzustellen, dass insbesondere unter Berücksichtigung der neueren wissenschaftlichen Referenzgrundlagen die Umsetzung dieser Vorschrift in der Bundesrepublik Deutschland noch immer unzureichend ist.

[...]

Die Erklärung für die BSG der neuen Länder hätte aufgrund der Vorschriften von Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie 90/656/EWG des Rates vom 4. Dezember 1990 über die in Deutschland geltenden Übergangsmaßnahmen für bestimmte Gemeinschaftsvorschriften über den Umweltschutz bis zum 3. April 1991 abgegeben werden müssen.

Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass die Ausweisung besonderer Schutzgebiete in der Richtlinie festgelegten ornithologischen Kriterien folgt und die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet sind, alle Gebiete zu besonderen Schutzgebieten zu erklären, die nach ornithologischen Kriterien am geeignetsten für die Erhaltung der betreffenden Arten erscheinen . Der Gerichtshof hat im zuletzt angeführten Urteil auch den wissenschaftlichen Wert des Verzeichnisses "Important Bird Areas 1989" (IBA1989) und dessen Eignung als Bezugsgrundlage in diesem Fall anerkannt.

Im vorliegenden Zusammenhang ist auch auf die Feststellungen des Europäischen Gerichtshofs hinzuweisen, wonach Artikel 4 Absätze 1 oder 2 der Vogelschutzrichtlinie dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat bei der Auswahl und Abgrenzung eines BSG wirtschaftliche Erfordernisse nicht berücksichtigen darf, die zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses, wie sie in Artikel 6 Absatz 4 der Richtlinie des Rates 92/43/EWG vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie) genannt sind, darstellen .

Weiter wird auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verwiesen, wonach Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, ein BSG mit einem rechtlichen Schutzstatus auszustatten, der geeignet ist, u. a. das Überleben und die Vermehrung der in Anhang I der Richtlinie aufgeführten Vogelarten sowie die Vermehrung, die Mauser und die Überwinterung der nicht in Anhang I aufgeführten, regelmäßig auftretenden Zugvogelarten sicherzustellen .

III. Die Aufforderung zur Stellungnahme

In der Aufforderung zur Stellungnahme hat die Kommission insbesondere festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland ihren Verpflichtungen aus Artikel 4 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten nicht vollständig nachgekommen ist, indem sie 1. nicht gemäß Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie die für die Erhaltung der Arten nach Anhang I bzw. zum Schutz der regelmäßig auftretenden Zugvogelarten in international bedeutsamen Feuchtgebieten nach ornithologischen Kriterien zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete in Deutschland als besondere Schutzgebiete ausgewiesen hat und 2. einige bestehende besondere Schutzgebiete flächenmäßig nicht nach ausschließlich ornithologischen Kriterien abgegrenzt hat bzw. die Fläche von einigen ausgewiesenen besonderen Schutzgebieten nicht nach rein wissenschaftlich begründeten Kriterien reduziert hat, 3. ausgewiesene besondere Vogelschutzgebiete bisher nicht mit einem den Anforderungen nach Artikel 4 Absätze 1 und 2 in Verbindung mit Absatz 4 erster Satz der Vogelschutzrichtlinie genügenden rechtlichen Schutzstatus versehen hat, oder jedenfalls dies der Kommission nicht mitgeteilt hat, sowie 4. der Kommission nicht die nach Artikel 4 Absatz 3 der Vogelschutzrichtlinie erforderlichen Informationen über eine große Zahl ausgewiesener besonderer Schutzgebiete mitgeteilt hat.

Als wissenschaftliche Referenzgrundlage zur Beurteilung der Qualität des deutschen Netzwerkes von BSG wurde in erster Linie das Verzeichnis der "Important Bird Areas" (IBAs) herangezogen und zwar das detaillierte Verzeichnis für die alten Bundesländer von 1989 ergänzt durch das das Verzeichnis für die neuen Bundesländer von 1991 und das neue internationale Verzeichnis, erschienen im Frühjahr 2000 ("IBA2000") .

IV. Die Antwort der Bundesrepublik Deutschland

Die Bundesrepublik Deutschland antwortete mit Mitteilung der Bundesregierung vom 20. März 2002. Diese Antwort stellte zunächst kurz die Meldung von BSG dar, wobei insbesondere Fehler in der Darstellung der Kommission korrigiert wurden. In einem zweiten Teil nahm die Bundesregierung zum Vorwurf der unzureichenden Gebietsausweisung Stellung, wobei sie zunächst allgemeine Einwände gegen die Argumentation der Kommission erhob und anschließend die Lage in den einzelnen Bundesländern diskutierte. Im dritten Teil ihrer Mitteilung geht die Bundesregierung auf die Schaffung eines rechtlichen Schutzstatus für die einzelnen BSG ein. Der letzte Teil der Mitteilung behandelt die Frage der unzureichenden Bereitstellung von Informationen über BSG. Auf der Grundlage der vorliegenden Standard-Datenbögen, der Stellungnahme der Bundesregierung und der nachfolgenden Gebietsmeldung für Niedersachsen stellt sich die Meldung von BSG so dar, wie in Anhang 1 wiedergegeben.

Im Hinblick auf die Verpflichtung zur Meldung von BSG bezweifelt die Bundesregierung zunächst, dass eine Frist besteht. Für einige Bundesländer trägt die Bundesregierung unter anderem vor, dass die Ausweisung weiterer Gebiete nicht erforderlich sei, weil die wertgebenden Arten bereits in Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung nach der FFH-Richtlinie (FFH-Gebieten) hinreichend geschützt würden. Sie betont, dass Unterschiede in der Gebietsauswahl durch die Länder der Bundesrepublik Deutschland nicht vorzuwerfen seien, da sie auf die innerstaatliche Kompetenzverteilung zurückzuführen und eine Auswahl der besten Gebiete auf Länderebene im Ergebnis zu mehr BSG führe als eine nationale Auswahl.

Unter Bezugnahme auf die Rechtssprechung des Gerichtshofes legt die Bundesregierung dar, dass die Kriterien der IBA-Listen nur ein mögliches Bewertungsschema darstellten, das nicht als solches verbindlich sei. Es sei möglich, eigene Ausweisungskonzepte anzuwenden. Für die Auswahl dieser Konzepte seien in Deutschland die Länder zuständig. Einige Länder, z. B. Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, beziehen sich nach dem weiteren Vortrag der Bundesregierung weiterhin auf die Kriterien der IBA und prüfen gegenwärtig die IBA 2000 daraufhin, ob weitere Gebietsausweisung notwendig seien. Andere Länder beziehen sich auf andere Kriterien oder lehnen zumindest die Bezugnahme auf die IBA-Listen ab.

Die Bundesregierung beanstandet die IBA 2000 auch inhaltlich. Sie beruhe im Unterschied zur IBA 1989 nicht auf einer unabhängigen Studie in Zusammenarbeit mit der Kommission. Statt dessen handele es sich um eine Liste von Nichtregierungsorganisationen. Die Referenzen für die verschiedenen Mitgliedstaaten seien nicht zwangsläufig vergleichbar. Darüber hinaus seien noch nicht einmal die Teillisten für vergleichbare deutsche Bundesländer gleichwertig. So bestünden unerklärbar große Unterschiede in der Flächenabdeckung zwischen den Listen für Rheinland-Pfalz (0,09%), Hessen (12,2%) und Thüringen (0,8%). Grundsätzlich seien die Abgrenzung und Größenangaben der IBA wegen der Nichtberücksichtigung von ungeeigneten Flächen (Siedlungen, Infrastruktur, ungeeignete Lebensräume) von geringer Qualität. Auch würden weder die Herausgeber der IBA-Listen noch die Kommission überhaupt prüfen, ob Schutzgebiete erforderlich seien, um das Überleben der wertgebenden Arten sicherzustellen oder ob andere Maßnahmen ausreichen könnten. In Bezug auf Rastgebiete von internationaler Bedeutung sei teilweise die Stetigkeit der Vorkommen nicht gesichert. Die IBA 2000 nenne im übrigen auch Gebiete für Arten, die nicht unter Artikel 4 der Vogelschutzrichtlinie fielen.

Die Diskussion der einzelnen Ländermeldungen findet im Rahmen der Beurteilung durch die Kommission Berücksichtigung.

Zum rechtlichen Schutzstatus der einzelnen BSG legt die Bundesregierung dar, das Bundesnaturschutzgesetz verpflichte die Länder, BSG zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft im Sinne von § 22 Absatz 1 zu erklären. Soweit Vertragsnaturschutz und Verfügungsgewalt öffentlicher Träger ausreichen, ergebe sich das Gebietsmanagement aus dem Vertrag bzw. Verwaltungsvorschriften, während Dritteinwirkungen kraft der Eigentümerstellung zivilrechtlich abgewehrt würden. Diese Möglichkeit folge der Definition des BSG in Artikel 1 Buchstabe l) der FFH-Richtlinie. Ergänzend gelte § 33 Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 des Bundesnaturschutzgesetzes, wonach vorbehaltlich besonderer Schutzvorschriften im Sinne des § 22 Abs. 2 alle Vorhaben, Maßnahmen, Veränderungen oder Störungen, die zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen führen können, unzulässig seien.

Die Bundesregierung legt im Anschluss Angaben zu der Situation in den einzelnen Ländern vor. Diese Angaben zeigen, dass noch nicht alle BSG einen rechtlichen Schutzstatus genießen: .......

V. Beurteilung durch die Kommission

Die Kommission erhält im vorliegenden Vertragsverletzungsverfahren den Vorwurf aufrecht, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht gemäß Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie die für die Erhaltung der Arten nach Anhang I bzw. zum Schutz der regelmäßig auftretenden Zugvogelarten nach ornithologischen Kriterien zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete in Deutschland als besondere Schutzgebiete ausgewiesen hat, einige bestehende besondere Schutzgebiete flächenmäßig nicht nach ausschließlich ornithologischen Kriterien abgegrenzt hat und ausgewiesene besondere Vogelschutzgebiete bisher nicht mit einem den Anforderungen nach Artikel 4 Absätze 1 und 2 in Verbindung mit Absatz 4 erster Satz der Vogelschutzrichtlinie genügenden rechtlichen Schutzstatus versehen hat, oder jedenfalls dies der Kommission nicht mitgeteilt hat. Da die zuständigen Stellen der Bundesregierung glaubwürdig Ihre Bereitschaft zur Kooperation bei der Vervollständigung der zu übermittelnden Informationen bekundet haben, sieht die Kommission zum gegenwärtigen Zeitpunkt davon ab, den Vorwurf unzureichender Informationsübermittlung weiter zu verfolgen. Die Kommission behält sich allerdings vor, diesen Vorwurf zu einem späteren Zeitpunkt erneut aufzugreifen und separat zu verfolgen.

A. Zur unzureichenden Gebietsausweisung

1. Einleitung

Zum Vorwurf der unzureichenden Gebietsausweisung ist zunächst klarzustellen, dass die Kommission nicht den Beweis führen will, die Bundesrepublik Deutschland müsse eine Anzahl bestimmter Gebiete als BSG ausweisen, um ihrer Verpflichtung aus Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Vogelschutzrichtlinie vollständig und abschließend nachzukommen. Die Kommission wird vielmehr darlegen, dass die Bundesrepublik Deutschland insgesamt nicht hinreichend BSG ausgewiesen hat. Soweit die Kommission Gebiete oder Gebietslisten benennt, dienen diese nur als illustrative Beispiele und Beleg für die Mängel der Ausweisung. Was den Einwand angeht, für die Ausweisung und Mitteilung von BSG sei kein Zeitpunkt festgelegt, so hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass die Verpflichtung zur Ausweisung von BSG innerhalb der Zweijahresfrist für die Umsetzung nach Artikel 18 der Vogelschutzrichtlinie zu erfüllen war, d. h. bis zum 4. April 1981 . Nur für die neuen Bundesländer wurde diese Frist bis zum 3. April 1991 ausgedehnt. Die Kommission verlangt von der Bundesrepublik Deutschland nicht, die föderale Kompetenzverteilung bei der Ausweisung von BSG aufzugeben. Dementsprechend wird die deutsche Meldung nach Ländern getrennt diskutiert. Allerdings entbindet diese Kompetenzverteilung nicht davon, ein Mindestmaß an Kohärenz zu gewährleisten. Dies betrifft insbesondere grenzüberschreitende Gebiete und die Berücksichtigung regionaler Verantwortung im Rahmen von Ausweisungskonzepten. Die Ausweisung grenzüberschreitender Gebiete bedarf der Abstimmung zwischen den betroffenen Ländern. Wenn BSG an Ländergrenzen abrupt enden, obwohl jenseits der Grenze vergleichbare Lebensräume zu finden sind, so indiziert dies eine fachlich nicht gerechtfertigte Abgrenzung. Soweit die Ausweisungskonzepte einzelner Länder aufgrund einer vergleichsweise geringen Verantwortung für die betreffende Art die Ausweisung von Schutzgebieten beschränken, bedarf diese Beschränkung der Ergänzung durch entsprechende Ausweisungen in Ländern mit größerer Verantwortung.

2. Vergleich der IBA-Listen mit der deutschen Gebietsmeldung

Die Kommission stützt sich weiterhin grundsätzlich auf einen Vergleich zwischen der deutschen Gebietsmeldung und den IBA-Listen. Dies ist vor allem die IBA 2000. Die Kommission hat jedoch bereits im Aufforderungsschreiben vom 21. Dezember 2001, Nr. 11, darauf hingewiesen, dass diese Liste weiter ergänzt werden sollte . Diese ergänzte Fassung liegt mittlerweile vor: Sudfeldt et al. (2002) - "IBA 2002". Die Kommission zieht daher auch die IBA 2002 als Beweismittel heran.

Die deutschen Meldungen bleiben weit hinter der IBA 2000 und der IBA 2002 zurück. Dies ergibt sich bereits aus einer Auflistung der IBA-Gebiete, die noch nicht einmal teilweise als BSG ausgewiesen wurden. Für die IBA 2000 sind dies 42 Gebiete (Anhang 2), für die IBA 2002 sogar 224 Gebiete (Anhang 3). Auch die flächenmäßigen Unterschiede sind beträchtlich. Die IBA 2000 deckt eine Landfläche von 35.142 km2, d. h. etwa 10% der deutschen Landfläche, ab, die IBA 2002 sogar 56.509 km2 oder 15,8%. Die deutschen Gebietsausweisungen beschränken sich nach der Mitteilung der Bundesregierung vom 20. März 2002 dagegen auf 16.860 km2 oder 4,7%. Die Meldequote dürfte in Folge der zwischenzeitlichen Meldung Niedersachsens etwas gestiegen sein, doch verbleibt sie weit unterhalb beider IBA-Listen.

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass Deutschland noch keine BSG in off-shore Gewässern außerhalb der 12-Meilen Zone ausgewiesen hat. Es ist allerdings klarzustellen, dass die Kommission nicht die bedingungslose und identische Umsetzung dieser Listen verlangt, sondern nur, dass die Bundesrepublik Deutschland in ausreichendem Maß Vogelschutzgebiete gemäß Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Vogelschutz-Richtlinie ausweist. Die Kommission ist sich insbesondere der Tatsache bewusst, dass die IBA-Listen teilweise fehlerhaft oder unvollständig sind. Nichtsdestotrotz sind diese Listen die beste vorliegende Zusammenfassung des bestehenden Kenntnisstandes auf der Grundlage eine wissenschaftlichen Konzepts zur Identifizierung wichtiger Gebiet für den Vogelschutz. Daher stellen sie gegenwärtig für die Kommission das am besten geeignete Mittel dar, um die Erfüllung der Verpflichtung zur Ausweisung von BSG zu überprüfen. Die Kommission stützt sich allerdings auch auf alle weiteren sachdienlichen Untersuchungen und Informationen.

Diese Vorgehensweise entspricht der Rechtsprechung des Gerichtshofes. Danach muss sich die Kommission zum Beweis einer Vertragsverletzung - insbesondere im Hinblick auf Ausweisung von Vogelschutzgebieten - auf die verfügbaren wissenschaftlichen Werke stützen . Es steht Deutschland frei, die Vorschläge der IBA-Listen auf der Grundlage eigener wissenschaftlicher Konzepte und besserer Daten über das Vorkommen von Vogelarten zu widerlegen . Allerdings wird insbesondere die Prüfung der einzelnen Länder zeigen, dass Deutschland die Kommission noch nicht überzeugen konnte, dass die Unterschiede zu den IBA-Listen durch Fachkonzepte und bessere Daten über das Vorkommen von Vogelarten gerechtfertigt sind.

[...]

 

Ostfriesen-Zeitung 04.06.2003 (S. 11)

Brüssel fordert mehr Schutzgebiete für Vögel

Mahnbrief der Europäischen Kommission / Wybelsumer Polder und Küste zwischen Esens und Norden fehlen

Die fehlenden ostfriesischen Gebiete müssen nach Ansicht der Kommission als Vogelschutzgebiet nachgemeldet werden. Die bisherige Liste sei „unzureichend".

OSTFRIESLAND / SR - Die Europäische Kommission fordert Deutschland in einem Mahnschreiben dazu auf, mehr Vogelschutzgebiete auszuweisen. Auch Ostfriesland ist betroffen: Der Wybelsumer Polder und der Küstenstreifen zwischen Norden und Esens müssen an die Europäische Union gemeldet werden.

Die europäische Vogelschutzrichtlinie gilt schon seit 1979. Alle Mitgliedsländer der Europäischen Union hatten sich damals verpflichtet, geeignete Gebiete zu Vogelschutzgebieten zu erklären. Seitdem ist aber strittig, welche Gebiete tatsächlich das Prädikat „Vogelschutzgebiet" erhalten müssen. „Darum sehen wir der Sache auch gelassen entgegen", meint Herma Heyken, Sprecherin der Bezirksregierung.

Streit gibt es schon genug wegen der Vogelschutzrichtlinie. So läuft bereits ein Verfahren wegen des großen Windparks Wybelsumer Polder, der genau in dem von der EU jetzt angesprochenen Gebiet liegt. Auch die Klage der Umweltverbände gegen das Emssperrwerk wird mit der angeblichen Missachtung der Vogelschutzrichtlinie begründet.

Es kann noch mehr Ärger geben: In EU-Vogelschutzgebieten können Golfplätze oder Umgehungsstraßen nicht ohne Umweltverträglichkeitsprüfungen gebaut werden. Genau solche Projekte sind aber im Küstenstreifen zwischen Esens und Norden geplant. Für Manfred Knake, Sprecher des Wattenrats, liegt durch das Mahnschreiben sogar eine „Veränderungssperre" auf dem Gebiet. Das sehen die Kommunen und die Bezirksregierung allerdings anders.

Es ist nicht das erste Mahnschreiben der EU an die Bundesregierung. Die vergangenen Schreiben haben durchaus Wirkung gehabt. So erkennt die EU-Kommission an, „dass die Bundesrepublik Deutschland erhebliche Fortschritte bei der Umsetzung der Vogelschutzrichtlinie gemacht hat." Zugleich sei allerdings festzustellen, „dass insbesondere unter Berücksichtigung der neueren wissenschaftlichen Referenzgrundlagen die Umsetzung dieser Vorschrift in der Bundesrepublik Deutschland „noch immer unzureichend ist". Den „Vorwurf unzureichender Informationsübermittlung" wolle man zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht weiter verfolgen, behalte sich aber vor, diesen Vorwurf „zu einem späteren Zeitpunkt erneut aufzugreifen".

Wenn der Streit eskaliert, drohen Bußgeldzahlungen. Einen Abriss des Windparks Wybelsumer Polder kann die EU zwar nicht verfügen. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass die weiteren Planungen für den Windpark berührt werden. So sollen zwei Enercon-Anlagen der neuen Offshore-Generation auf dem Windpark-Gelände aufgestellt werden.

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