Wattenrat

Ost-Friesland

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"Mehr Schutz" im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer?

Wasserschutzpolizei will "enger" mit der Nationalparkverwaltung zusammenarbeiten

Vertreibung

Borkum: Touristen vetreiben gerade Seehunde und eine Kegelrobbe von der Sandbank, Foto: Wattenrat

Öffenlichtes Schaulaufen mit Absichtserklärungen oder tatsächliche Verbesserungen im Wattenmeerschutz? Die Frage ist, ob durch "engere Zusammenarbeit" mit der Wasserschutzpolizei tatsächlich "mehr Schutz" im Nationalpark zu erreichen sein wird. Es werden keine zusätzlichen Polizeistellen oder Arbeitsstunden für diese Aufgabe bereitgestellt und keine zusätzlichen Wasserfahrzeuge in Betrieb genommen werden. Die Kernaufgabe der Wasserschutzpolizei ist nicht die Überwachung der Schutzbestimmungen des Nationalparks. NEBEN der eigentlichen Polizeiarbeit auf dem Wasser soll die Überwachung des Nationalparks hinzukommen. Die Nationalparkverwaltung müsste zunächst die bisher bekannt gewordenen Übertretungen statistisch bekannt geben oder erklären, ob es überhaupt eine systematische Störerfassung gibt: Es gibt so etwas bisher nicht! In der Vergangenheit war diese eher ein Stiefkind der Verwaltung.

Derzeit werkeln auf 2.800 qkm Nationalparkfläche 15 Zivildienstleistende und fünf hauptamliche Nationalparkwarte auf den ostfriesischen Inseln an der Aufsicht und Betreuung, ohne Wasserfahrzeuge und ohne Kompetenzen, bei 30 Millionen Tourismus-Übernachtungen pro Jahr zwischen Emden und Cuxhaven, Freizeitspaß mit Boot, Flugzeug, Lenkdrachen oder Hund. Es fehlen also ausreichend hauptamtliche Ranger mit hoheitlichen Befugnissen und Fahrzeugen.

Die Realität der Aufsicht und die Ignoranz der Nationalparkverwaltung hat unser Mitarbeiter Reiner Schopf, mehr als dreißig Jahre lang Vogelwart auf der Insel Memmert und selbst Nationalparkswart, beschrieben: "Die achte Insel". Er hat einen aktuellen Leserbrief zur Aufsicht durch die Wasserschutzpolizei verfasst, der deutlich den Unterschied zwischen bedrucktem Zeitungspapier und der Wirklichkeit deutlich macht (siehe unten).

In den Niederlanden ist das Watt zwar kein Nationalpark, aber dennoch Schutzgebiet. Allein drei staatliche seegehende Schiffe (20m lang) des niederländischen Landbauministeriums sind im Watt verteilt um die Schutzbestimmungen im Wattenmeer zu überwachen: Touristen, Sportbootfahrer, Flugzeugführer und Fischer können die Schiffe an der großen Aufschrift "Naturbeheer" (Naturschutz) oder "Waddenbeheer" (Wattenmeerschutz) leicht ausmachen. Die Kapitäne sind Naturschutzfachleute und haben Polizeigewalt. Auf den Inseln und dem Festland sorgen Mitarbeiter der staatlichen Forstbehörde für die Überwachung. (Siehe auf unseren Seiten vom November 2003: "Portrait John de Boer")

Wir zitieren aus dem Anzeiger für Harlingerland, Wittmund, 21. Mai 2008:

Mehr Schutz für den Nationalpark

Wasserschutzpolizei und Nationalparkverwaltung wollen in Zukunft noch enger zusammenarbeiten
Ziel ist, die Gesetzesübertretungen auf möglichst niedrigem Stand zu halten.

WILHELMSHAVEN- Die Wasserschutzpolizei und die Nationalparkverwaltung wollen ihre Zusammenarbeit künftig weiter vertiefen: Die Leiter der Wasserschutzpolizeien von Niedersachsen und Bremen und der Nationalparkverwaltung "Niedersächsisches Wattenmeer" im Nationalparkzentrum "Das Wattenmeerhaus" hatten sich jetzt in Wilhelmshaven getroffen. Dabei wurde vereinbart, die Kooperation beim Schutz des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer weiter zu vertiefen. Basierend auf den guten Erfahrungen aus den Vorjahren, wurden vor dem Hintergrund von Änderungen in der Aufgabenstellung, des Aufbaus und der Gliederung der Behörden Möglichkeiten der weiteren Verbesserung bei der Zusammenarbeit zur Überwachung des Nationalparks erörtert. Die Wasserschutzpolizeiinspektion in Bremerhaven nimmt, auf Grundlage eines Abkommens zwischen dem Land Niedersachsen und der Freien und Hansestadt Bremen, die Aufgaben der Wasserschutzpolizei im Niedersächsischen Wattenmeer im Bereich nördlich von Bremerhaven bis hin zur Plate Nordergründe wahr [...] Die Wasserschutzpolizei ist für die Nationalparkverwaltung eine unverzichtbare Hilfe, um die Zahl der Gesetzesübertretungen auf einem möglichst geringen Stand zu halten, betonte Peter Südbeck, Leiter der Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer.

Leserbrief:
Anzeiger für Harlingerland, Wittmund, 29. Mai 2008:

Keine abschreckende Wirkung

Betr.: "Mehr Schutz für den Nationalpark", Harlinger vom 21. Mai 2008

Die Zusammenarbeit zwischen Nationalparkverwaltung und Polizei fußt auf einer intensiven Betreuung vor Ort, also auf 2.800 Quadratkilometern Fläche. Wer sonst soll Polizei und Verwaltung über die Missachtung der Regelungen informieren? 15 Zivildienstleistende und fünf Nationalparkwarte ohne Kompetenzen und ohne Boot sind dazu nicht in der Lage. Viele Jahre blieben meine Hinweise auf massive Störungen durch Freizeithungrige in der Zone 1 um Memmert und im Westen von Juist ohne Resonanz. Das Anlanden von Sportbooten an Sandbänken und an der Westspitze, Baden, Spielen, frei laufende Hunde, kilometerweites Umherwandern im Watt, zeltende Paddler, Drachensteiger etc. waren "normal". Die Wasser- schutzpolizei konnte, wenn überhaupt, nur selten eingreifen, da andere Aufgaben, der Wasserstand (Tiden), große Entfernungen oder ho- he Watten ihr Erscheinen vor Ort verhinderten. Öfter hatten die Freizeitkapitäne längst das Weite gesucht, wenn das Polizeiboot dann doch noch auftauchte.

Telefonische Hinweise auf zeltende Paddler auf Juist bewirkten nur, dass die Polizisten erst erschienen, wenn die Paddler weg waren, oder dass sie lediglich die Personalien aufnahmen. Abschreckend wirkt das nicht, wie mir Wassersportler, die ich mehrfach dort antraf, auch freimütig sagten. Erfolgte aus solchen Anlässen doch eine Anzeige, wurde das Verfahren meist eingestellt. Selbst auf massive Vergehen, wie z. B. das Sammeln von Seevogeleiern, reagierte die Nationalparkverwaltung lediglich mit Appellen und signalisierte so, dass, wer gegen die Regeln verstößt, keine Konsequenzen fürchten muss. Verstöße werden auch belohnt, z. B. wurde das Anlanden von Sportbooten im Westen Juists und die damit einhergehende Beunruhigung großer Flächen legalisiert. 16 Jahre lang hat die Nationalparkverwaltung und die Wasserschutzpolizei das illegale Treiben, einschließlich Lagerfeuer und Grillfeten, geduldet, meine Hinweise ignoriert, um dann das Problem mittels Genehmigung der Missstände "zu lösen", ähnliches erlebten natürlich auch die anderen Nationalparkwarte. Die Nationalparkverwaltung scheint sich mehr für die Narrenfreiheit der Freizeithungrigen zu engagieren als für den Schutz. Ich fürchte, dass der Schutz auch durch das mediengerechte Beschönigen der Zusammenarbeit das bleiben wird, was es war und ist: Ein nur auf dem Papier und in schönen Reden existierendes Konzept.

Reiner Schopf, Jakobsdorf

 
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